Donnerstag, 28. Januar 2016

Nur die Pflanze war Zeuge (1978)




NUR DIE PFLANZE WAR ZEUGE
(The Kirlian Witness aka The Plants Are Watching)
USA 1978
Dt. Erstaufführung: 16.09.1981 (TV-Premiere)
Regie: Jonathan Sarno

Eine Theorie: Irgendwann in den 1970er Jahren rauchte der angehende Regisseur Jonathan Sarno irgendein pflanzliches Mittelchen und fragte sich unter dessen Einfluss dann, was wäre, wenn er die betreffende Pflanze vorher zu diesem Vorhaben befragt hätte. Hätte sie ihr Okay zum angestrebten Rausch gegeben oder hätte sie ihm geraten, Nein zu Drogen zu sagen? Klingt das wirr? Dann eröffnet es einen kleinen Einblick, was den Zuschauer in seinem Regiedebüt (und er hat seitdem kaum weitere Filme inszeniert) Nur die Pflanze war Zeuge erwartet. Es ist eine jener 70er-Jahre-Obskuritäten, von denen man sich mindestens heute fragt, wie sie überhaupt in Produktion gehen konnten, wie man den Ehrgeiz aufzubringen vermochte, das Projekt mit ernster Miene bis zum Schluss durchzuziehen. Das ist alles denn auch jenseits der cineastischen Freakshow weniger von Interesse, reizt diesen Anziehungspunkt aber immerhin so bis zum Anschlag aus, dass es eine skurrile Freude ist.

Die Schwestern Laurie (Nancy Boykin) und Rilla (Nancy Snyder) leben in New York in der gleichen umgebauten ehemaligen Fabrik in Soho. Während Rilla mit ihrem Freund Robert (Joel Colodner) offen zusammen ist, verheimlicht Laurie den Ihrigen, Dusty (Ted LaPlat). Sie interessiert sich sehr viel mehr für die Pflanzen in ihrem Geschäft, so sehr, dass sie überzeugt ist, mit ihnen kommunizieren zu können. Als Laurie von Rilla tot auf dem Dach des Gebäudes gefunden wird, findet auch diese Gefallen an der Idee und versucht mithilfe des bei Lauries Tod anwesenden Rhododendron, das Rätsel aufzuklären …

Eins muss man Nur die Pflanze war Zeuge zugutehalten: er ist besser als der moderne Pflanzen-Thriller The Happening (was wahrscheinlich keine große Kunst darstellt). Ob sich M. Night Shyamalan von Sarnos Werk inspirieren ließ, ist fraglich, fest steht jedoch, dass der 1978 entstandene Film so sehr in seiner eigenen Welt aufgeht, dass man diesen Elan ein Stück weit bewundern muss. Er macht keinen Hehl daraus, dass die Prämisse seltsam ist (die Bücher zu Pflanzenkommunikation stehen auch hier in der Buchhandlung unter dem Stichwort „Okkultes“), nimmt aber die Idee der real existierenden „Kirlianfotografie“ (die durchaus kunstvolle, eindeutig in die Zeit passende Bilder produziert) im umgedeuteten Sinne der Handlung so ernst, dass man ständig zwischen Lachen und Staunen schwankt. Irgendwann ist die Verbindung zwischen Mensch und Rhododendron dann auch so stark, dass Rilla klare Projektionen in ihren Kopf geschickt bekommt. Um die Frage, wie die Pflanze derlei Dinge wie Gesichter etc. überhaupt wahrnehmen, geschweige denn bildlich reproduzieren kann, laviert sich der Film großzügig herum. Ist nicht wichtig. Smoke da herb.

Irgendwo zwischen Gaia-Theorie und okkultem Humbug changierend, nehmen auch die Schauspieler ihre Rollen sehr ernst. Niemand der vier Protagonisten kommt auf die Idee, sich aus der seriösen Ecke zu befreien, was dem Film auf verquere Weise ebenfalls gut steht. Im festen Glauben, dass Murder Mystery wäre überhaupt eins, knurren sich die Männer unheilsvoll an, während Rilla mit gediegener Stimme die Geschichte und ihr Schicksal per Voice-Over  leichtnimmt Dusty ein Bad in Rillas Wanne, obwohl er eigentlich nur die Rohrleitungen überprüfen wollte. Whatever. Zum Schluss ist es auch völlig egal, warum manche Dinge passieren, wie fragwürdig einige Reaktionen sind oder wie brüchig bis nicht vorhanden Erklärungen daherkommen, die Darsteller gehen so in ihren Rollen auf, wie man es nie von einem Film namens Nur die Pflanze war Zeuge erwartet hätte.

Als Zeitdokument bezeichnend, als Film herrlich obskur und melancholisch (wenn auch trotz der überschaubaren Laufzeit etwas langatmig) und als Sammlerobjekt sicherlich begehrt (ich konnte den Film dank einer alten VHS-Aufnahme sehen, offiziell auf DVD erschienen ist er bisher lediglich in einer Burn-on-demand-Fassung beim US-Amazon), ist Nur die Pflanze war Zeuge einer jener Filme, den man in erster Linie aufgrund der hanebüchenen Inhaltsbeschreibung sieht, um dann festzustellen, dass das Ganze nicht in dem Maße durchgeknallt ist, wie man es erwartet hätte. Oder doch? Oder nicht? Nur die Pflanze war Zeuge ist kein heimliches Meisterwerk, wohl aber eine groteske Rarität, die mehr Blicke verdient, als es „objektiv“ wohl gerechtfertigt wäre. Wer hätte das von einem telepathischen Rhododendron, der einen Mordfall mit aufklärt, wohl jemals erwartet?




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