Sonntag, 10. Mai 2015

Das Relikt - Museum der Angst (1997)




DAS RELIKT - MUSEUM DER ANGST
(The Relic)
USA 1997
Dt. Erstaufführung: 01.05.1997
Regie: Peter Hyams

Wenn die Filmkritik ernst genommen werden will, muss sie frei von Anekdoten, frei von dem Eingeständnis sein, nicht objektiv daher zu kommen. So scheint es zumindest. Die Analyse kann noch so durchdacht sein, sobald sich der Rezensent auf eine privatere, persönliche Ebene „hinab begibt“ umweht sie der diskrete Duft der Unprofessionalität, zumindest im deutschsprachigen Raum, nicht zuletzt durch die in ihren Anfangszeiten extrem biederen Besprechungen der katholischen Filmarbeit. Ein Roger Ebert, der gern auch mal im jovialen Ton über einen Film sprach und – das klassische Bildungsbürgertum darf nun zusammenzucken – gern Scherze einbaute, scheint auch im Jahr 2015 noch ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, gerade im Hinblick auf die etablierten Medien. Man kann dies bedauern oder in dem eigenen bescheidenden Rahmen versuchen, daran etwas zu ändern. Denn eins zeigt die stetig wachsende Zahl der Internetkritiker, die mit einem gewissen Anspruch an ihr Sujet herangehen, deutlich: die Sphären der vermeintlich objektiven Kritik und die der subjektiven Erfahrung sind verschmelzbar, ohne einen eklatanten Qualitätsverlust in Kauf nehmen zu müssen. Was hat dies alles nun als Einleitung zu einem Monsterfilm auf den späten 1990er zu suchen? Ganz einfach: für mich war Das Relikt einer der ersten Filme, die ich mit der entsprechenden Altersfreigabe gesehen habe und er war bis dato einer der gewalttätigsten, aber auch spannendsten Filme an meinem stetig wachsenden Horizont. Das Entdecken von Klischees brachte mir Freude, ebenso der Vergleich mit der lesenswerten Romanvorlage von Douglas Preston und Lincoln Child. Ich habe Das Relikt oft gesehen und auch meine Freunde genötigt, ihn zu sehen, ich wollte den Film teilen. Darum sei es mir verziehen, dass der von Peter Hyams inszenierte Film hier besser davonkommt, als er es wohl verdient hat. Das Relikt ist standardisierte Genrekost, keine Frage, aber er hat nun mal einen besonderen Platz in meinem Herzen, das die Aufregungen eines Sechszehnjährigen noch nicht komplett verdrängt hat.

Im Museum für Naturkunde in Chicago stirbt ein Wachmann auf besonders brutale Weise – ihm wird das Gehirn aus dem Schädel entfernt. Als ein gesuchter Obdachloser in den Museumskatakomben erschossen wird, scheint der Fall geklärt, zumal eine große Ausstellungseröffnung ins Haus steht und der Museumsleitung negative Publicity gar nicht gelegen kommt. Die Bedenken des abergläubischen Polizisten D’Agosta (Tom Sizemore) werden ignoriert, bis am Eröffnungsabend plötzlich alles schief geht, was nur schief gehen kann und sich eine Gruppe Eingeschlossener bald mit der Tatsache konfrontiert sieht, dass eine bisher unbekannte Kreatur Jagd auf sie macht…

Das Relikt ist dahingehend ungewöhnlich, als dass es seinem Antagonisten einen Grund für seinen Appetit auf Menschen gibt: das Monster ist de facto ein Drogenabhängiger, der die im menschlichen Gehirn produzierten Hormone braucht. Die Erklärung ist sogar noch weitreichender und beinhaltet eine durchgeknallte, Fuck-you-Science-Konstruktion über Mutationen und Hormone, die gleichzeitig Monster erschaffen und sie am Leben erhalten (und ihnen augenscheinlich Detailinformationen über den menschlichen Körpern implantieren). Es ist besser, wenn man nicht zu sehr über die Unmöglichkeiten nachdenkt als sich lieber ganz in die sympathisch altmodisch gestaltete Geschichte zu geben. Im eng gesteckten Rahmen eines Genrefilms ist die Mär vom Drogenmonster nämlich besser als nichts oder etwas noch generischeres.

Das Relikt hat, bei allen Strapazen, die diese Metapher mitgemacht hat, so tatsächlich etwas von einer Achterbahnfahrt: es ist nüchtern betrachtet Quatsch, der nicht existieren müsste, macht aber dennoch unter gegebenen Umständen viel Spaß. Nicht unerheblich daran ist Hyams Gespür für Atmosphäre, dass er als sein eigener Kameramann zudem auch ansprechend bebildert. Oft ist man nah dran an den Figuren, denen ob der angespannten Situation auch mal der Schweiß auf der Stirn stehen darf, und dennoch verliert man nie den Überblick über das Geschehen. Einzig im dritten Akt kann man ins grübeln kommen, an wie vielen Orten das Monster mehr oder weniger gleichzeitig auftritt: egal ob im ebenerdigen Labortrakt oder der großen Ausstellungshalle oder in den unterirdischen Kohletunneln – das Wesen, das auf den Namen Kothoga hört, ist stets vor Ort, um vielen Charakteren buchstäblich eine Last von den Schultern zu nehmen (und dann natürlich nicht die Gehirne zu fressen – man kennt so etwas ja aus Gareth Edwards Godzilla – Filmkreaturen haben nur eine vorgeschobenen Hunger). Man merkt, man kann Das Relikt kaum ohne eine gewisse Ironie besprechen, dafür sind die vielen Klischees zu offensichtlich, aber es sollte auch nicht vergessen werden, wie effektiv Hyams die schnörkellose Geschichte in Szene setzt – trotz Jump Scares aus dem 1:1 des Horrorfilms und launigen Onelinern. Es gibt genügend Sequenzen, die genuin spannend sind und die praktischen Monstereffekte aus dem Hause Stan Winstons sind gewohnt gut und werden durch annehmbare Computereffekte unterstützt (man hat Ende der 90er schlimmeres gesehen).

Das Relikt weiß mit jeder Faser seiner Existenz um sein Dasein als Film mit der simplen Prämisse „Monster mit Appetit nachts im Museum“ (Ben Stiller ist leider nicht zugegen, um aus der Sicht von 1997 vorsorglich gefressen zu werden) und tut niemals, er wäre mehr als die Summe seiner Teile. Diese Teile sind allerdings so sicher inszeniert und das Ergebnis so ehrlich-unterhaltsame Genrekost, dass Das Relikt besser daherkommt als sein Ruf als ereignisloses Creature-Feature. Sicher, man wird kaum neues entdecken in diesem wilden Trip der rollenden Köpfe, aber er ist in dem ihm gegebenen Rahmen eines der besseren Beispiele für den Monsterfilm, vielleicht auch, weil er sich atmosphärisch an die Klassiker der 1950er anlehnt. Spricht da wieder mein 16-jähriges Ich? Womöglich, aber es kann nun mal einem guten Monsterfilm nicht widerstehen, auch nicht im Körper eines 30-jährigen.




1 Kommentar:

  1. Ich kann deine Begeisterung für den Film durchaus nachvollziehen. Auch einer meiner liebsten Monsterfilme. Alleine, dass man Pendergast gestrichen hat, verzeihe ich den Machern nicht...

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