Mittwoch, 19. März 2014

Die Herrschaft der Schatten (2010)




DIE HERRSCHAFT DER SCHATTEN
(Vanishing on 7th Street)
USA 2010
Dt.
Erstaufführung: 26.08.2011 (DVD-Premiere)
Regie: Brad Anderson

Die USA, ein Land mit der Ausdehnung eines Kontinents. Zwischen Los Angeles und New York liegen Welten. Dies sollte verdeutlichen, was es heißt, wenn ein Film in den Staaten zu seinen Hochzeit in gerade einmal sechs Kinos lief, zu seiner Premiere gar nur in einem einzigen Lichtspielhaus zu finden war. Die Herrschaft der Schatten ist zwar ein Low-Budget-Film, aber unter solch denkbar ungünstigen Umständen konnte er nur zum nationalen Flop werden, auch wenn die Überseezahlen besser daherkamen (in Südkorea und der Türkei etwa generierte der Film ein Vielfaches seiner US-Einspielergebnisse). Dies ist neben dem augenscheinlichen Misstrauen seitens des Verleihers auch dem Film selbst anzukreiden. Brad Anderson, der zuvor den inkohärenten Transsiberian inszenierte, versucht sein Bestes, aus der starken Prämisse einen ansehnlichen Gruselfilm zu machen, schafft es aber nicht, interessante Charaktere oder eine durchgängig überzeugende Welt zu erschaffen. Die Herrschaft der Schatten hat unendliches Potenzial, wirklich ausgeschöpft wird es nicht.

Detroit: eines Abends verschwindet plötzlich ein Großteil der Bevölkerung der Stadt. Nur ihre Kleidung und andere künstliche Dinge wie Brillen und falsche Zähne bleiben zurück. Einher mit dieser unheimlichen Entwicklung geht das Erscheinen einer irgendwie beseelten Dunkelheit, die die Menschen bei Kontakt in Luft auflöst. Nur Licht hält die sinistren Schatten in Schach. 72 Stunden nach dieser lautlosen Apokalypse finden sich in einer dank eines Generators noch erleuchteten Bar vier Überlebende zusammen: der Kinomitarbeiter Paul (John Leguizamo), die Physiotherapeutin Rosemary (Thandie Newton), der 12jährige James (Jacob Latimore) und der TV-Moderator Luke (Hayden Christensen). Die Zweckgemeinschaft sucht nach einem Ausweg aus dem Alptraum, während draußen von Tag zu Tag die Sicherheit versprechenden Sonnenstunden weniger werden und des Nachts die Schatten alles daran setzten, auch die letzten Menschen zu sich zu holen (während Tiere interessanterweise verschont bleiben).

Die Herrschaft der Schatten setzt plakativ auf eine menschliche Urangst: die Furcht vor der Dunkelheit, die Tagraubtieren von jeher einen strategischen Nachteil verschaffte. Anderson und sein Drehbuchtautor Anthony Jaswinski (Killing Time) schalten dabei den Mittelsmann aus, ähnlich wie die Final Destination-Reihe den maskierten Mörder á la Freddy oder Jason als Zulieferer für den Tod abschaffte und den Sensenmann selbst morden ließ. So lauern hier in der Dunkelheit keine Monstren und Mutationen, sondern sie wird selbst zum Antagonisten, der in durchaus unheimlichen Bildern nach den Figuren greift und lechzt. Dabei verzichtet man vollkommen auf eine irgendwie geartete Erklärung, was durchaus als guter Schachzug gewertet werden kann. Das Grauen kommt unerwartet und bleibt für die Figuren in ihrem geographisch und materiell limitierten Rahmen auch gänzlich unerklärlich. Versuche, hinter die Geschehnisse zu blicken, laufen ins Leere, der Film bleibt konsequent dabei, die Apokalypse nicht durch einen Filmvorführer oder einen 12jährigen erklärbar zu machen. Der Versuchung, die Schatten in einen geschichtlichen Kontext zu setzen, können sich Anderson und Jaswinski aber nicht entziehen und geizen nicht mit Verweisen auf die verlorene Kolonie Roanoke, des ersten Stützpunktes des Engländer in Nordamerika, der 1590 vollkommen verlassen vorgefunden wurde. Und auch wenn man wohl davon ausgehen kann, dass die Siedler sich einem Indianerstamm namens Croatoan angeschlossen haben und dafür Roanoke verließen, wird der Film natürlich nicht müde, dies unter den Tisch fallen zu lassen und stattdessen den Mysteryaspekt hervorzuheben. Wer eine noch effektivere Einbindung der Roanoke-Geschichte in einen fiktionalen Kontext sucht, dem sei Dean Koontz‘ Roman Unheil über der Stadt empfohlen, der es eleganter als Die Herrschaft der Schatten schafft, aus dem Ereignis Horrorpotenzial zu schlagen.

So sind die gruseligen Bilder, die durchaus effektive Atmosphäre und das ohnehin immer funktionierende Setting einer menschenleeren Stadt eine Sache, die Charaktere eine ganz andere. Die Herrschaft der Schatten bietet keine interessanten Protagonisten an, weil sie allesamt recht farblos bleiben. Man bemüht sich sichtlich, Luke und die anderen aus ihrer Eindimensionalität herauszuholen, aber ganz gelingen will das nicht. So ist John Leguizamo nur erträglich, weil er eben John Leguizamo ist, während Hayden Christensen scheinbar immer noch unter den Nachwehen leidet, die eine Partizipation in einem Film wie Jumper wohl mit sich bringt. Sein Luke ist der Standard-Jerk, wie in jeder Film dieser Art offensichtlich braucht. Thandie Newtons Verweis aus Rosemaries Baby lässt derweil ständig Erinnerungen an einen besseren Horrorfilm wach werden. Einzig Newcomer Jacob Latimore zeigt Potenzial, wechselt er doch überraschend überzeugend zwischen den vom Plot geforderten Emotionen hin und her.

So zerfällt der Film in zwei sehr unterschiedliche Teile, zum einen in den arg durchschnittlichen Part, was die Darstellung und die insgesamte Regie angeht, zum anderen in den starken Part der Prämisse und der Handhabung des Bedrohungsszenarios. Ein bisschen hat man zwar das Gefühl, Jaswinski verarbeitet hier eine kindliche Furcht vor den dunkeln Geistern aus Ghost – Nachricht von Sam, erinnert doch vor allem das Sounddesign an sie, aber in seiner archetypischen Effektivität kann man darüber hinwegsehen. Die Herrschaft der Schatten ist wahrlich kein großer Genrewurf, dafür ist er als Gesamtpaket zu standardisiert, aber als vollkommen belangloses Zwischenfutter, das mit knapp 90 Minuten Laufzeit auch schnell wieder vorbei ist, kann man ihn noch durchwinken.



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