Mittwoch, 15. Januar 2014

Love Alien (2012)




LOVE ALIEN
Deutschland 2012
Dt. Erstaufführung: 16.05.2013
Regie: Wolfram Huke

Wolfram ist 29, als er sein Filmdebüt in Angriff nimmt. Der Student der Hochschule für Fernsehen und Film in München nimmt sich selbst auf, sein Leben, seine Begegnungen – und seine Suche nach einer Freundin. Seiner ersten. Denn Wolfram hat in seinem Leben noch nie eine Frau geküsst, Händchen gehalten, geschweige denn mit einer geschlafen. Und das liegt nicht daran, dass er eigentlich auf Männer stehen würde. Wenn dem so wäre, würde die Situation dort wohl genauso aussehen. Wolfram ist ein sogenannter „Absoluter Beginner“, ein erwachsener Mensch, der in einem Alter, in dem andere ihre ersten Kinder bekommen und mit der schmachtenden Suche nach der großen Liebe bereits durch sind, noch keinerlei Erfahrung auf diesem Gebiet vorweisen kann. So verfolgt man Wolfram bei seinen (halbherzigen) Versuchen, die ihm unbekannte Welt zu erschließen. Er trifft platonische Freundinnen, erhofft sich von einer Bekanntschaft aus Zagreb mehr, lässt sich von hippen Stilberaterinnen zu neuen Klamotten überreden, wandert auf dem Jakobsweg und verbringt seinen 30. Geburtstag schließlich im „Haus der Einkehr“, einem Kloster in Südösterreich.

Love Alien ist im Grunde weniger ein klassischer Dokumentarfilm denn ein filmischer Essay, dessen extreme Subjektivität Wolframs Problem, womöglich ungewollt, gut auf den Punkt bringt. Alles dreht sich um ihn, was okay ist – Love Alien ist schließlich auch sein Film. Doch er, der als Regisseur und Akteur ständig im Fokus steht, offenbart dabei auch ein Unvermögen zur kritischen Distanz sich selbst gegenüber. Sicherlich, so etwas gehört zu den schwierigsten Übungen, die man überhaupt durchführen kann, aber Wolfram Huke ergeht sich etwas zu sehr in Selbstmitleid, anstatt auf die Ratschläge zu hören, die er im Off-Kommentar verdammt. Da raten ihm Freude (von denen man im Film erschreckend wenige zu sehen bekommt), er müsse die Suche einfach aufgeben, sich selbst annehmen, ein bisschen an sich arbeiten, dann würde schon alles von selbst kommen. So sehr sich das nach Ratschlägen aus dem Abreißkalender anhört und so sehr Huke sie bezweifelt – sie wirken, sie sind wahr. Dies schreibt immerhin jemand, der vor zehn Jahren einen ganz ähnlichen Film wie Huke hätte drehen können.

Ein bisschen erinnert Love Alien paradoxerweise an den ähnlich intimen Dokumentarfilm Vergiss mein nicht, in dem Regisseur David Sieveking mit der wachsenden Demenz seiner Mutter konfrontiert wird. Anders als Huke schafft Sieveking aber den Balanceakt zwischen persönlicher Geschichte und der Einordnung in einen größeren Kontext. Sieveking betrauert weniger sich selbst und den Verlust seiner Mutter, sondern gibt ihr ihre Würde und ihre Geschichte zurück, indem er ihre Biografie und die Beziehung seiner Eltern recherchiert auf aufarbeitet und so starke Bilder gegen die ausschließlich fatalistische Betrachtungsweise der Krankheit findet. Love Alien bleibt ganz bei sich und unternimmt keinerlei Versuche, die geschilderte Einsamkeit in ein größeres Bild oder einen gesellschaftlichen Kontrast oder Kontext zu setzen, auch fehlt eine wirklich kritische oder auch nur interessante Auseinandersetzung mit dem Sujet. Auf die Frage nach dem Warum, danach, warum ein Mensch in der heutigen übersexualisierten Welt keinen Anschluss bekommt, findet Huke nur fahrige Antworten wie: „Ich bin so oft enttäuscht worden und fürchte mich.“ Die Sitzungen bei seiner resoluten Psychiaterin offenbaren sehr deutlich einige interessante Punkte, an denen man hätte nachhaken können, doch Huke lässt sie verstreichen. Stattdessen muss man mit ansehen, wie er die Beziehung zu seiner Bekanntschaft aus Zagreb mit einer einzigen SMS in den Sand setzt und sich in Marathonläufe und religiöse Erbauungsveranstaltungen flüchtet.

Dabei gibt es Momente in Love Alien, die aufhorchen lassen. Wenn Huke emotional distanzierte Familie auf den Plan tritt und seine Mutter polemische Ansichten zur heutigen Gesellschaft vom Stapel lässt, der implizit eine Mitschuld an der Beziehungslosigkeit des Sohnes gegeben wird, dann glitzert etwas in dem visuell wenig aufregenden Film auf, eine tiefere Ebene, die man gern erkundet hätte. Oder auch eine selbstkritische Auseinandersetzung mit dem möglichen religiösen Einfluss wäre interessant gewesen, wer gibt in einem Fragebogen eines Online-Datingportals schon als Interesse „Religion“ an? Aber Huke schafft es ja nicht einmal, die Geschichte von einer Bekanntschaft auf dem Jakobsweg zu Ende zu erzählen, obwohl sie ihm doch „Gänsehaut den Rücken hat runter laufen lassen.“

Bei aller Kritik ist Love Alien womöglich aber für andere „Absolute Beginner“ als eine Art „Schulungsfilm“ interessant: so macht man es nicht. Und Huke selbst wünscht man weiterhin viel Erfolg bei seiner Suche, denn er ist ein durchaus sympathischer Kerl, der es allerdings mit der Hygiene in seiner Wohnung etwas genauer nehmen sollte. Es ist nicht verwerfliches daran, mit 30 noch in einer Phase zu stecken, die andere mit 20 durchmachen. Verwerflich wäre es nur, sich darin allzu sehr einzunisten. Vielleicht bringt die Distanz, die Filmmaterial aufbaut, Huke persönlich etwas. Als Dokumentarfilm bringt Love Alien dem Zuschauer wenig Erkenntnis und wenig Diskussionsmaterial, allem Willen zum Exhibitionismus zum Trotz. Immerhin funktioniert er als Bebilderung der Gefühle, die einen überkommen, wenn man mehr zurück denn nach vorne blickt; alles in der Welt scheint nur darauf aus zu sein, den Beziehungslosen zu verhöhnen und ihm seine Situation unter die Nase zu reiben. Es ist schade, dass Love Alien seine Nabelschau bis zum Ende durchzieht und sich nicht auf die tieferliegenden Ebenen einlässt, die er zweifellos anreißt.



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