Montag, 15. Februar 2016

It Follows (2014)




IT FOLLOWS
USA 2014
Dt. Erstaufführung: 09.07.2015
Regie: David Robert Mitchell

Jugendliche haben es nicht leicht, besonders in Horrorfilmen. Sobald die Libido erwacht und den Körper mit Hormonen überflutet, die dann nur noch „das Eine“ suggerieren, führt das hemmungslose Nachkommen dieser Triebe meist zu einem schnellen Ableben. Nur wer keusch und in einem puritanischen Sinne „rein“ bleibt (dass das Überleben meist nur durch Gewaltanwendung möglich ist, eröffnet darüber hinaus einen Diskurs über eine Gesellschaft, in der Sex verpönt ist, Gewalt aber in all ihren Spielarten weniger Protest auslöst) hat die Chance auf ein Happy End. So weit, so konservativ. It Follows belegt nun den Geschlechtsakt an sich mit einem – nicht nur im übertragenden Sinne – Fluch. Es ist nicht mehr die ekstatische Unaufmerksamkeit, die es dem maskierten Killer ermöglicht, sich anzuschleichen, sonder im Akt selbst liegt gleichermaßen der Auslöser wie die Lösung für die Probleme der Protagonisten. „Der kleine Tod“ bekommt hier eine ganz neue Intention. Das ist nun ähnlich altbacken wie die Moral des Slasherfilms (wer keinen Sex hat, hat auch keine Probleme) und die Interpretationsmöglichkeiten liegen auf der Hand (sexuell übertragbare Krankheiten als offensichtlichstes Beispiel), aber als Horrorfilm, vor allem als überdeutliche Hommage an John Carpenter, funktioniert It Follows doch ziemlich gut. Und das ist viel gesagt, wenn sogar der Regisseur selbst zugibt, dass sich die Prämisse des Films laut ausgesprochen ziemlich hanebüchen anhört.

In einem Vorort von Detroit schläft die junge Jay (Maika Monroe) zum ersten Mal mit ihrem Freund Hugh (Jake Weary). Das Stelldichein nimmt ein jähes Ende, als er sie zuerst mit Chloroform betäubt, um ihr dann zu eröffnen, dass er sie mit etwas angesteckt hat. Nein, nicht mit einem Genitalpilz oder ähnlichem, sondern mit einer mörderischen Entität, einem Wesen, das sie nun verfolgen wird und dabei jede menschliche Gestalt annehmen kann. Es wird nicht eher ruhen, bis es sie erwischt und getötet hat, es sei denn, sie schläft mit jemand anderem und gibt so den Fluch weiter. Zunächst schenkt Jay dem Gesagten keinen rechten Glauben, doch als sie zusehends von Menschen verfolgt wird, die augenscheinlich nur sie sehen kann, bewahrheitet sich Hughs Prognose. Zunächst versucht Jay, eine andere Lösung für das Problem zu finden, auch, weil wenn derjenige, an den sie den Fluch weitergibt, von dem Wesen getötet wird, es wieder Jagd auf sie machen würde. Doch das Ding ohne Namen lässt sich nicht abschütteln und Jays Leben wird immer mehr zu einer Dauertortour.

It Follows hat den genreüblichen lustfeindlichen Ansatz, der sich allerdings nicht auf die Angstlust bezieht. Will meinen: der von David Robert Mitchell inszenierte Film ist ziemlich spannend geraten. Dank der unbehaglichen Atmosphäre, der suggestiven Kameraarbeit und der (zugegebermaßen mitunter etwas plakativ eingesetzten) Musik verbunden mit dem Auftreten des Wesens, dass gleichermaßen ruhig wie unaufhaltsam daherkommt, gelingt es It Follows, selbst dem versierten Genrefan noch den ein oder anderen Schreckensmoment abzutrotzen. Manchmal kann  sich Mitchell nicht zurückhalten (am Strand, wenn das Wesen kurz in den Modus des handelsüblichen Kinodämonen zurückfällt) und frei von Albernheiten (die High Heels des „opening kills“, die Jurassic World stolz machen) und groben Schnitten (die Sequenz im Schwimmbad hat keine sinnige Konklusion) ist sein Film auch nicht, aber auch dank der natürlich agierenden Darsteller gleitet It Follows nie in Gefilde ab, in denen man vollkommen aus der Geschichte katapultiert wird.

Dabei gibt es genügend Dinge, über die man nachgrübeln könnte. Der Film zeigt ausschließlich heterosexuelle Begegnungen. Heißt das, Homosexuelle sind vor dem Dämon sicher? Muss es ungeschützter Verkehr sein oder kann das Wesen Kondome und Pille umgehen? Gilt nur Penetration oder lässt das Ding auch beispielsweise Oralsex durchgehen? Fragen über Fragen … Immerhin lässt der Film die Frage nach dem Warum nicht unbeantwortet. Die Entität beraubt ihre Opfer, wenn sie sie einmal erreicht hat, deren – man muss es wohl so nennen – Lebensenergie und wird so zu einer modernen Interpretation des Sukkubus/Inkubus-Glaubens, jenen verführerischen Wesen, die seit jeher dem Menschen nachstellen. Eine sinnige Motivation ist ja heutzutage auch für außerweltliche Wesen von Belang. Und ist es Zufall, dass ein solches Etwas sein Unwesen nahe Detroit treibt, einer sich immer wieder am Abgrund befindlichen Stadt, in der kaum etwas sicher ist, weder die öffentliche Ordnung noch die ökonomische Existenz? Warum sollte es also der Sex sein? Neben der Angst vor Krankheiten (der Film lässt auf brillante Art den Handlungszeitraum im vagen, was zu einer universellen Anwendbarkeit führt) ist das Wesen als personifizierte Zukunftsangst (in diesem Kontext macht auch die anhaltende Gestaltwandlung durchaus Sinn – Teenagerprobleme sind nie gleich und wechseln ständig) sicherlich eine der interessantesten Lesarten.

In einer Zeit, in der der Vergangenheitsbezug zum Grundrepertoire gehört und die mediale Kindheit und Jugend der in den 1970ern/1980ern geborenen einer fortwährenden Revitalisierung unterliegt ist It Follows sicherlich eins der besten Beispiele, wie man eine Hommage generieren kann, ohne die eigene Identität vollkommen dranzugeben. John Carpenter ist allgegenwärtig, doch sklavisch kopiert wird er nie. Vielmehr dient sein Oeuvre (zumindest jenes bis Mitte der 80er Jahre) als Ankerpunkt, um eine neue Generation möglichst so zu schocken, wie es wohl Filme wie Halloween – Die Nacht des Grauens anno 1978 getan haben. Das Ergebnis ist ein gradliniger Horrorfilm, dessen Gerüst einer genaueren Prüfung zwar nicht standhält, der aber bessere Genreunterhaltung bietet, als es die Prämisse „Sexuell übertragbarer Dämon“ eigentlich zulassen dürfte. Nicht so durchdacht wie der andere große Horrorfilm des Jahres 2015, Der Babadook, wohl aber effektiv genug, um für Unbehagen in finsteren Korridoren zu sorgen.




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