Donnerstag, 18. Februar 2016

Entity - Es gibt kein Entrinnen vor dem Unsichtbaren, das uns verfolgt (1982)




ENTITY – ES GIBT KEIN ENTRINNEN VOR DEM UNSICHTBAREN, DAS UNS VERFOLGT
(The Entity)
USA 1982
Dt. Erstaufführung:20.01.1983
Regie: Sidney J. Furie

Die ständigen Querverweise im Internet und gerade in den Filmblogger-Kreisen können mitunter anstrengend sein. Da erweist sich die eine Sequenz aus jenen Film als eine Reminiszenz an jenen Film, den man noch nicht gesehen hat, oder dieser Film trägt viel DNA von diesem anderen Film in sich, der auch schon seit einer gefühlten Ewigkeit auf der Watchlist versauert. Im Gefühl, nie ganz alles von Belang übersehen zu können verkleinert sich besagte Liste denn auch eher in Gletschergeschwindigkeit. Doch manchmal stößt man so auch auf eine Perle an einem Ort, an dem man sie nie für möglich gehalten hätte. So gab der schnöde Wikipedia-Artikel zu dem Überraschungshit It Follows den Hinweis, die Verbindung Sex/Paranormale Aktivität sei bereits 1982 in dem wenig bekannten Film Entity (der monströse deutsche Untertitel wird hier ausschließlich oben bei den Basisdaten genannt) durchexerziert worden. Nun gut, wie empfehlenswert sollte schon ein Film sein, der auch als der versaute kleine Bruder von Steven Spielbergs/Tobe Hoopers Poltergeist durchgehen könnte? Die Antwort, um es im Neusprech des enervierenden Online-Clickbaitings zu formulieren, wird Sie überraschen.

Carla (Barbara Hershey) ist in ihren 30ern, alleinerziehende Mutter von zwei kleinen Mädchen und einem pubertierenden Jungen und setzt alles daran, durch Weiterbildungsmaßnahmen einen besseren Job ergattern zu können. Der Stress lässt nie nach, doch Carla gibt ihr Bestes. Doch etwas in ihrem Haus ist ganz und gar nicht an ihrem Wohlergehen interessiert, im Gegenteil: eines Abends wird die junge Frau von einer unsichtbaren Gestalt angegriffen und vergewaltigt. Vollkommen verstört versucht sie, das Erlebte zu vergessen, doch die Entität lässt sie sehr bald durch eine erneute Vergewaltigung wissen, dass es eben nicht nur ein böser Traum war. Als sich die Situation immer weiter zuspitzt, die psychologische Beratung wirkungslos bleibt und das Wesen sogar beginnt, Carla vor ihren Kindern anzugreifen, gerät sie durch Zufall an ein Team von Parawissenschaftlern der örtlichen Universität, die sich ihres Falles annehmen. Ihr Plan: die bösartige Erscheinung mithilfe von flüssigem Helium in der Welt der Menschen zu bannen …

Entity beruht auf – bitte tief einatmen und aufseufzen – „realen Ereignissen“. Eine Doris Bither erlebte angeblich in den 1970er Jahren eine Heimsuchung durch mehrere Poltergeister, von denen sie einer auch wiederholt vergewaltigt haben soll. Ein Team von Wissenschaftlern versuchte denn auch wirklich, dem Spuk irgendwie habhaft zu werden. So soll sich die Filmszene, in der eine Silhouette inmitten eines Indoor-Gewitters mit grünen Blitzen erscheint, so ähnlich auch in der Realität zugetragen und zur Ohnmacht einer der wissenschaftlich Beteiligten geführt haben. Nun sollte man nicht außer Acht lassen, dass Bither starke Alkoholikerin war, in einem vollkommen verwahrlosten Haus lebte und die Beziehung zwischen ihr und ihren drei Söhnen von einer permanenten Atmosphäre der Aggression geprägt war. Ihr Filmpendant ist weitaus angenehmer und der paranormale Befall wird eher zu einem willkürlichen (und damit weitaus erschreckenderen) Phänomen als etwas, dass man küchenpsychologisch auch auf ganz andere Faktoren zurückführen könnte.

Dementsprechend gut man gut daran, Entity wie alle Filme dieser Art einfach als Gruselmär zu sehen, denn als solche funktioniert er zudem ausgezeichnet. Entity erschafft eine Atmosphäre der Angst, ein beinahe permanentes Unbehagen, bei dem man sich nie sicher sein kann, was als nächstes passieren könnte. Die Angriffe sind unendlich bösartige Attacken und Barbara Hershey macht mit ihrer engagierten Darbietung sowohl sie als auch Carlas Leben im ständigen Ausnahmezustand erfahrbar. Man spürt die Angst, die Erschöpfung, aber auch den Kampfgeist, sich nicht von dem Erlebten bis zum Äußeren vereinnahmen zu lassen. Im Kern ist Entity demnach auch ein feministischer Film: eine vergewaltigte Frau zwingt ihre Umwelt dazu, ihre Erfahrung anzuerkennen und lässt sich nicht mit den üblichen Plattitüden und Beschwichtigungen abspeisen. Der Aggressor mag außerweltlicher Natur sein, die Mechanismen, denen sich Carla nach ihrer Vergewaltigung ausgesetzt sieht, sind nur allzu weltlich. Diesen Kampf verkörpert Hershey mit Bravour, ebenso wie sie ohne Mühe zwischen Carlas gesellschaftlichen Rollen changiert. Es ist eine Figur, die weitaus komplexer daherkommt als beispielsweise die All-American-Family in Poltergeist.

Subtextlich reich beschenkt, glaubwürdig gespielt und atmosphärisch dicht inszeniert ist Entity auch im Hinblick auf die handwerkliche Qualität bemerkenswert. Es gibt Effekte in dem Film, die dem Zuschauer den Mund offenstehen lassen, mehr als einmal fragt man die altbekannte Frage „Wie haben die das bloß gemacht?“ (es ist eine rein rhetorische Frage, bitte nicht das Staunen durch nüchterne Fakten zerstören – ich weiß auch, dass die Antwort wahrscheinlich bemerkenswert einfacher Natur sein würde). Entity wirkt nie billig, weder von der Machart noch inhaltlich, obwohl sich die Prämisse auch zu einem hemmungslosen Exploitationfilm eignen würde. Doch alle Beteiligten nehmen ihr Sujet so ernst, dass Entity nie zur Lachnummer verkommt. Der Film mag unbekannt, ja fast vergessen, sein – es ist an der Zeit, Entity neu zu entdecken: als einen der besten, durchdachtesten und spannendsten Filme seiner Zunft.





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