Dienstag, 27. Oktober 2015

Das Blutgericht der reitenden Leichen (1975)




DAS BLUTGERICHT DER REITENDEN LEICHEN
(La noche de las gaviotas)
Spanien 1975
Dt. Erstaufführung: 09.10.1975
Regie: Amando de Ossorio

Wer nach zwei enttäuschenden Fortsetzungen noch am Ball geblieben ist, der muss belohnt werden. So oder ähnlich könnte das Credo von Regisseur Amando de Ossorio gewesen sein, als er den vierten und letzten Film seiner Reitenden Leichen-Saga inszenierte. Denn gerade nach dem hanebüchenen Das Geisterschiff der reitenden Leichen ist der arg charmant betitelte Das Blutgericht der reitenden Leichen ein beachtlicher Schritt nach vorn. Mehr noch, er ist in vielen Punkten der beste Teil der Reihe, auch wenn die Atmosphäre im Eröffnungsfilm naturgegeben wirkungsvoller daherkam. Doch insgesamt kann Teil Vier mit einer fast schon klassischen Story aufwarten (die ihre herrlich-bekloppten plot holes hat), einer starken Regie und vor allem – zum ersten Mal in der Geschichte der untoten Tempelritter mit Satan-Fetisch – sympathischen Figuren. Das Blutgericht der reitenden Leichen wirkt wie eine Entschuldigung für drei Filme voller Trottel und enervierenden Exploitation-Klischees. Es ist, gerade im Rahmen dieser notorischen Reihe, erstaunlich.

Der Arzt Henry Stein (Victor Petit) zieht mit seiner Frau Joan (María Kosty) in ein beschauliches Küstendorf, das von einem Fluch heimgesucht wird. Alle sieben Jahre erheben sich die Überreste der vor Jahrhunderten getöteten okkulten Tempelritter, um ihren Durst nach Menschenblut durch weibliche Jungfrauen zu stillen. Und dummerweise ist es kurz nach der Ankunft des Paares wieder einmal soweit …

Das Blutgericht der reitenden Leichen knüpft lose an den Vorgänger an, indem die Templer diesmal vor beschaulicher Ozean-Kulisse ihrem Tun nachgehen (weit scheinen sie nach ihrer Fahrt aus den Fluten am Ende von Das Geisterschiff… nicht gekommen zu sein – und einen jahrhundertealten Fluch haben sie auch gleich in die Köpfe der Menschen implantiert. Praktisch.). Ansonsten ist alles soweit beim alten: die misogynen Mistkerle morden junge Frauen dahin (männliche Jungfrauen, die ja rein technisch auch in Frage kommen könnten, werden explizit ausgenommen), um mit ihrem Blut ihr untotes Dasein zu verlängern. Neu ist dabei ein Götze, dem sie huldigen und von dem sie ihre Kraft beziehen – öfter mal was Neues. Warum niemand die Gegend verlässt, wenn man schon absehen kann, dass alle sieben Jahre (warum nun diese präzise Zeitangabe?) sieben junge Frauen des Ortes dran glauben müssen, es bleibt ebenso im Dunkeln wie die offensichtlich beeindruckende Reproduktionsrate einer Gemeinschaft, die hauptsächlich aus garstigen Omas besteht.

Man sieht schon, Das Blutgericht der reitenden Leichen ist nicht gerade ein Film der Logik oder auch nur zum kritischen Nachfragen geeignet – aber das waren die reitenden Leichen ohnehin nie. Was den Film charmant macht ist seine an 50er-Jahre-Genrefilme angelehnte Atmosphäre, das pittoreske Setting (das Meeresrauschen bildet einen erstaunlich stimmigen Klangteppich) und die Figuren, die erstmals Sympathien aufkommen lassen. Wie eine Entschuldigung für alle Entgleisungen der Vergangenheit gibt es keinen Mann, der bei der kleinsten Gelegenheit der Meinung ist, Vergewaltigung wäre eine akzeptable Sache, die Außenseiterfigur entpuppt sich nicht als gemeingefährlicher Opportunist, man verfolgt den Kampf der Charaktere mit sehr viel mehr Elan als bei den anderen Filmen, vor allem dem unsäglichen Das Geisterschiff der reitenden Leichen.

Bemerkenswert ist außerdem, dass der Film ein definitives Ende hat. Die Templer waren drei Filme lang am Ende unbesiegt, Teil Vier sorgt nun für eine Konklusion, vielleicht auch weil klar war, dass das Konzept sich nun endgültig überlebt hatte. Die reitenden Leichen können nun in Unfrieden ruhen und bescheren dem geneigten Zuschauer zuvor einen erstaunlich unterhaltsamen, seine eigene Idiotie wohlwollend vergessen machenden Film, dem man de Ossorio gar nicht mehr zugetraut hätte. Das Blutgericht der reitenden Leichen ist kein überragender Genrefilm, aber er ist so viel ansehnlicher, als man es von der Reihe erwartet hätte, dass man ihn schwerlich verdammen kann. 





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