Donnerstag, 30. Oktober 2014

The Ward - Die Station (2010)




THE WARD – DIE STATION
(John Carpenter’s The Ward)
USA 2010
Dt. Erstaufführung: 29.09.2011
Regie: John Carpenter

Der moderne Horrorfilm hat ein Problem: er ist oft doch auf geradezu frustrierende Weise austauschbar. Es gibt kaum gestalterische, geschweige denn inhaltliche Überraschungen, viel zu oft versagen sie sogar auf dem eigentlichen Betätigungsfeld des Genres, dem Erzeugen von Angst. Gerade der Geisterfilm ist in seinen neueren Beiträgen näher an dem unsäglichen 1999er Remake Das Geisterschloss als an dem atmosphärischen Original Bis das Blut gefriert. Und selbst ein Altmeister wie John Carpenter kann nicht viel mehr tun, als sich den Spielarten des massenkompatiblen Genrefilms anzubiedern. The Fog – Nebel des Grauens, auch ein Film mit geisterhaften Antagonisten, war seinerzeit recht unspektakulär, erscheint in der Retrospektive aber sehr viel besser, frischer, spielfreudiger als The Ward, Carpenters erstem Film seit neun Jahren und dem Debakel Ghosts of Mars. Es sollte ein großes Comeback werden, herausgekommen ist ein Sturm im Wasserglas. Sicherlich entbehrt The Ward nicht eines genügsamen Unterhaltungswerts, aber der Ideenklau bei Filmen wie Identität und das weitestgehende Fehlen von Carpenters Handschrift machen aus ihm eine recht unbefriedigende Angelegenheit.

Die junge Kristen (Amber Heard) wird völlig verwirrt in eine Psychiatrie eingewiesen, nachdem sie ein abgelegenes Farmhaus bis auf die Grundmauern abgebrannt hat. In der streng geführten Einrichtung lernt sie sie anderen weiblichen Insassen kennen, die alle von einer geisterhaften Erscheinung berichten, die die Station heimsucht. Schon bald befindet sich auch Kristen im Fadenkreuz der Entität…

Wenn man The Ward extrem herunterwertet, spricht möglicherweise der enttäuschte Fan aus einem. Denn, bei aller Generik ist Carpenters 18. Kinofilm ein handwerklich kompetent gemachter Film, der zumindest mit einigen wohlig gruseligen Einstellungen aufwarten kann. Es sind Standardmomente des Genres, meist vorhersehbar, in der Exekutive aber dennoch hübsch anzusehen. Was fehlt ist eine stringente Atmosphäre, ein durchgehendes Gefühl der Bedrohung, wie es der Film gebraucht hätte. Zudem verlässt er sich allzu sehr auf die Ausstellung des Altbekannten, auf wenig freundliche Psychiatrieeinrichtungn mit allem, was spätestens seit Einer flog übers Kuckucksnest dazu gehört. Innovationskraft gehört nicht gerade zu den Stärken von The Ward.

An dieser Stelle sei denjenigen, die ein Spoilerfreies Filmerlebnis schätzen, vom Weiterlesen abgeraten, denn das Ende muss einfach diskutiert werden.

Das Ende ist ein typischer Fall eines Films, der sich als cleverer generieren will als er eigentlich ist. Der Kniff mit der gespalteten Persönlichkeit, deren dominantesten Vertreter um Vorherrschaft in ein und demselben Körper kämpfen, ist ein recht müder, weil bereits zu angegriffener, Twist, das modernisierte Äquivalent zu „Es war alles nur ein Traum“. Wahrscheinlich muss man noch froh sein, dass die „Enthüllung“ nicht penetrant nach Anerkennung verlangt, sondern ziemlich schnörkellos erzählt wird.

The Ward ist insgesamt ein auf seltsame Art wenig greifbarer Film, was nicht für irgendwelche ätherischen Qualitäten steht, sondern für sein allgemein generisches Sein. Der Film ist handwerklich gekonnt inszeniert, mit 10 Millionen Dollar im 21. Jahrhundert wohl als Low-Budget anzusehen und hat, zumindest theoretisch, einen der versiertesten Genreregisseure als Schirmherr auf dem alles entscheidenden Stuhl. Doch Carpenter wirkt hier ähnlich wenig präsent wie bei Jagd auf einen Unsichtbaren, als hätte er schon im Vorfeld aufgegeben, weil er wieder nur das Drehbuch anderer verfilmt und sein Namenszusatz im Titel eher zu Marketingzwecken genutzt wird. The Ward hat einen nicht abzustreitenden Unterhaltungswert, keine Frage, aber den kann man auch bei inhaltlich ähnlichen Produktionen von Regie-Newcomern finden. Würde nicht der große Name überall stehen, man würde nicht auf die Idee kommen, einen stereotypen Horrorfilm wie diesen mit John Carpenter in Verbindung zu bringen. Das Comeback wird zum Beweis, dass der ehemals unabhängige Regisseur dem Zwang zur Uniformität im Unterhaltungssektor erlegen ist. Erfreulich ist das nicht, aber die heutige Medienlandschaft hat immerhin den Vorteil, dass man sich jederzeit dank Heimmedien in die Zeit zurückversetzen kann, in der Carpenter atmosphärische Meisterstücke erschaffen hat. Und das sei gerade jenen jungen Filmfreunden empfohlen, die Carpenter nicht durch The Ward – Die Station kennerlernen sollten. Glaubt mir, er war einst zu sehr viel mehr in der Lage.




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