Mittwoch, 22. Oktober 2014

Die Mächte des Wahnsinns (1994)



DIE MÄCHTE DES WAHNSINNS
(John Carpenter’s In The Mouth of Madness)
USA 1994
Dt. Erstaufführung: 23.02.1995
Regie: John Carpenter

Die Mächte des Wahnsinns ist eine Entschuldigung für Jagd auf einen Unsichtbaren. Anders kann man die Kompromisslosigkeit, mit der Carpenter sich wieder dem Horrorgenre zuwendet, kaum erklären. Im Gegensatz zur gefälligen Auftragsarbeit mit Chevy Chase spürt man hier wieder das Herzblut des Regisseurs, seine Leidenschaft für düstere Stoffe und vor allem seine gestalterische Handschrift. Als Abschluss der intern so genannten „apokalyptischen Trilogie“, die mit Das Ding aus einer anderen Welt begann und mit Die Fürsten der Dunkelheit fortgesetzt wurde, ist der Film ein Liebesbrief in Richtung H.P. Lovecraft, herrlich verschroben, genuin spannend und damit schlicht gute Genreunterhaltung.

Sutter Caine ist verschwunden. Der weltweit obszön erfolgreiche Horrorautor steht kurz vor der Veröffentlichung seines neusten Romans namens „Die Mächte des Wahnsinns“, der so geheim gehalten wurde, dass nicht einmal seine Lektorin und sein Verleger das Manuskript bisher zu Gesicht bekommen haben. Die beiden beauftragen den Privatdetektiv John Trent (Sam Neill) damit, Caine aufzuspüren. Dessen Nachforschungen führen ihn in das verschlafene Städtchen Hobb’s End, dass sich nach kurzer Zeit als gar nicht so pittoresk erweist, wie es zunächst den Anschein hatte…

Die Mächte des Wahnsinns „messes with your mind“, um eine treffende angloamerikanische Umschreibung zu verwenden. Er verdreht nicht nur die lineare Logik der alltäglichen Wahrnehmung, sondern auch die des Films und nutzt dabei gekonnt die dem Medium sowieso innewohnende Jahrmarktattraktion der Illusion. Gerade ein Film wie dieser offenbart, wie sehr man sich als Zuschauer doch auf eine „gewohnte“, sprich nicht sonderlich herausfordernde Dramaturgie, einstellt, obwohl doch der Film per se zu so gut wie allen Formen der Illusion fähig ist – und damit sind nicht nur elaborierte Effekte gemeint. Schon ein unerwarteter Gegenschnitt kann das Publikum aus dem Konzept bringen und John Carpenter weiß sehr gut um die Wirkung des Aufbrechens von gängigen Spielfilmstrukturen. Verbunden mit den Lovecraft’schen Horrorbildern, die immer stets aus dem Unbewussten direkt entstiegen zu sein scheinen, entfaltet Die Mächte des Wahnsinns eine beachtliche Sogwirkung.

Dabei kommt vor allem das Alptraumhafte dem Film sehr zugute. Wie in jedem zünftigen schlechten Traum erscheinen Menschen aus dem Nichts, können Schauplätze unvorhergesehen wechseln, transformiert sich das Alltägliche ins Monströse. Dabei vermischt der Film gekonnt bekannte Versatzstücke aus dem Kosmos sowohl H.P. Lovecrafts als auch Stephen Kings. Man muss nicht einmal einen Roman eines der beiden Autoren gelesen haben, ihre stilistischen Merkmale haben sich so ins kollektive Medienbewusstsein eingebrannt, dass Carpenter nicht viel erklären muss. Zumal sich sein Regiestil wieder einmal als äußerst passend für diese Art der Geschichte erweist.

Sam Neill, in Jagd auf einen Unsichtbaren noch der durchaus ansehnliche over-the-top Schurke, findet hier eine gute Balance zwischen abgebrühten Detektiv (eine Rolle, für die Neill wie geschaffen ist) und Mann, der zunehmend an seinem gesunden Menschenverstand zweifelt. Neill steckt sehr viel mehr Elan in seine Rolle, als man bei der Prämisse erwarten dürfte und demontiert gekonnt sein Jurassic Park-Image. Alle anderen Figuren treten dagegen in den Hintergrund.

Die Mächte des Wahnsinns ist ein atmosphärischer Horrorfilm mit einem gekonnt entwickelten Spannungsbogen. Getragen von einem gut aufgelegten Sam Neill und einem John Carpenter, der zu alter Form zurückgefunden hat, ist dies ein Kleinod für Genrefans. Und für alle, die sich noch an ihren letzten lebhaften Alptraum erinnern können.



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