Dienstag, 10. Dezember 2013

The Broken Circle (2012)




THE BROKEN CIRCLE
(The Broken Circle Breakdown)
Belgien/Niederlande 2012
Dt. Erstaufführung: 25.04.2013
Regie: Felix Van Groeningen

ACHTUNG! Diese Besprechung beinhaltet diverse Informationen über den Verlauf der Handlung. Wer ein „reines“ Filmerlebnis bevorzugt, der komme erst nach dem Ansehen auf den Text zurück.

Es gibt zwei Arten von Filmen, die bei der Kritik meistens nicht allzu gut wegkommen (von Horrorfilmen und dergleichen mal abgesehen): Feel-Good-Movies und die sogenannten Tear Jerker, jene Filme also, die bewusst mit den Emotionen des Publikums spielen. Der Vorwurf hinkt zwar etwas, manipuliert Film als Kunstform doch generell sein Publikum, aber der Fokus liegt auch mehr auf melodramatischen Stoffen, die etwas zu offensichtlich nach emotionaler Anteilnahme lechzen (Extrem laut und unglaublich nah wäre so ein Beispiel). Der belgisch-niederländischen Produktion The Broken Circle kann man nun durchaus vorwerfen, ein Tear Jerker zu sein, fährt sie doch nicht nur mit den Figuren sondern auch mit den Zuschauern emotional Achterbahn und natürlich kann man darin ein manipulatives Moment erkennen, natürlich kann man dem Film vorwerfen, er gehe berechnend damit um, welche Knöpfe er beim Zuschauer drücken muss. Und trotzdem muss man zugeben: Es funktioniert. The Broken Circle ist gewissermaßen reine Emotion, ein Film, der sich bei allen süßlichen Momenten, bei aller Leinwandtauglicher Tragik richtig anfühlt.

Elise (Veerle Baetens) hat ein eigenes Tatoo-Studio und trägt selbst allerlei eingestochenen Körperschmuck. Didier (Johan Heldenbergh) spielt Banjo in einer Bluegrass-Band, der „reinsten Form von Country, die man finden kann“. Er ist ein Atheist mit romantischer Ader, sie pragmatisch-religiös. Sehr viel scheinen die Beiden auf den ersten Blick nicht gemein zu haben, dennoch besteht von der ersten Begegnung an eine Verbindung zwischen ihnen, die sich schnell in Liebe wandelt. Als Elise dann schwanger wird, reagiert Didier zunächst geschockt, beginnt dann aber schnell, das ihm gehörende, heruntergekommene Bauernhaus zu renovieren. Mit der Geburt von Tochter Maybelle (Nell Cattrysse) scheint das Glück perfekt, bis diese im Alter von sechs Jahren an Krebs erkrankt. Das Leben von Elise und Didier gerät aus den Fugen…

The Broken Circle ist nicht linear erzählt. Was zunächst wie ein danebengegangener Kunstgriff aussieht, erfährt man doch ziemlich schnell diverse Elemente, die man sonst erst nach einiger Zeit zu Gesicht bekommen hätte, entpuppt sich schnell als dramaturgisch potentes Mittel, um die emotionale Achterbahnfahrt noch zu verstärken, vor allem aber, um das Gefühl von Leben zu unterstreichen. Freud und Leid liegen oft nah beieinander und in The Broken Circle kann ein furchtbarer Streit in der Gegenwart schnell mit einer wunderbar-witzigen Hochzeit sieben Jahre zuvor oder einem stillen interfamiliären Moment irgendwo dazwischen gekoppelt sein. Die Struktur überfordert nicht, auch sind die Vignetten nicht so klein wie jene im ähnlich erzählten 21 Gramm, vielmehr wird der Zuschauer so Teil des Lebens von Elise, Maybelle und Didier. Wie Erinnerungen, die alle Zeiten miteinander verknüpfen, wird man in dieses herrlich unspektakuläre Leben hineingezogen und durchlebt alle Höhen und Tiefen unmittelbar mit. Tränen können massenhaft fallen und man sollte sich ihrer nicht schämen, denn Regisseur Felix Van Groeningen gelingt es mit Hilfe seiner wie Naturgewalten agierenden Darsteller die allzu pathetischen Manipulationen außen vor zu halten.

Man muss selbst keine Kinder haben, um die Wucht der Ereignisse in The Broken Circle zu erahnen. Und nur ein unverbesserlicher Zyniker wird nicht schmunzeln, wenn Maybelle an ihrem sechsten Geburtstag ihre Eltern energiegeladen aufweckt, um später mit ihren kleinen Gästen die Dezibel ordentlich in die Höhe zu treiben, während die Eltern gute Miene zum anstrengenden Spiel machen. Umso schwerer wiegen die Erkrankung von Maybelle, ihr Tod und das langsame Zerbrechen von Didier und Elise. Wenn matschige Erde auf einen kleinen weißen Sarg klatscht, dann ist dieser Moment auch für den Zuschauer in seiner beiläufigen Rohheit kaum zu ertragen. Und wenn Didier bei einem Auftritt eine Hasstriade gegen religiös motivierte Forschungsaufschübe loslässt, die seiner Tochter vielleicht geholfen hätten, so kann man dies im Kontext nur zu gut verstehen. Veerle Baetens und Johan Heldenbergh geben alles in ihren Rollen, ihre Liebe fühlt sich ebenso glaubwürdig an wie ihre grausamen Streits, in denen sie sich Vorwürfe wegen Maybelles Tod machen und sich gegenseitig trotz der gemeinsamen Trauer aufs tiefste verletzen. Für Didier ist der Hass auf eine Wissenschaft mit religiöser Handbremse ein Ausweg, Elise droht an ihrem eher nach innen, auf sie selbst konzentrierten Hass zu zerbrechen, der den extrovertierten Schmerz ihres Mannes nicht teilen will und kann.

The Broken Circle ist bei aller Traurigkeit auch ein Film über die Liebe und als solcher auch in den dunklen Minuten des Endes (das es etwas mit der Symbolik übertreibt) von einer gewissen Hoffnung geprägt. Man kann dies als religiöse Erbauung lesen, die auch Didier schlussendlich annimmt. Oder aber als Erkenntnis, dass man als Mensch nie ganz rational leben kann, weil sonst das Leben auf der Erde nicht ertragbar wäre. Ob man Gott oder was auch immer dazu zu Rate ziehen kann, will oder muss, das überlässt der Film dem Zuschauer (und Didier) selbst.
Ist The Broken Circle ein Tear Jerker? Vermutlich. Aber er ist einer der besten, weil ehrlichsten Vertreter seiner Gattung. Man liebt Elise und Didier, man liebt Maybelle und man ist für etwas weniger als zwei Stunden Teil ihres Lebens – etwas, wofür man uneingeschränkt dankbar sein kann. Und wenn man sich nur wünscht, das eigene Leben hätte auch so einen beschwingten Soundtrack.



http://filmblogosphaere.wordpress.com/

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