Montag, 25. November 2013

The East (2013)




THE EAST
USA/Großbritannien 2013
Dt. Erstaufführung: 18.07.2013
Regie: Zal Batmanglij

The East ist ein Film über Grauzonen. Zwar lehnt er sich in den finalen Minuten deutlich in eine Richtung und identifiziert damit seine Sympathien, aber über weite Teile ist er ein intelligentes Spiel über Macht, deren Missbrauch, Umweltzerstörung und die Untiefen, in denen Menschen operieren, um einem „höheren Gut“ gerecht zu werden. Dabei changiert der Film ständig zwischen den Sympathiewerten und fordert den Zuschauer aktiv auf, selbst Stellung zu beziehen. The East ist ein durchgehend fesselnder Politthriller.

Der Titel ist der Name einer kleinen, aber entschlossenen Gruppe von Öko-Terroristen, die schwerwiegende Umweltsünden großer Konzerne aufdecken und den Verantwortlichen die Folgen ihres Handelns am eigenen Leib spüren lassen, indem sie beispielsweise dem Vorstandsvorsitzenden eines Konzerns, dessen Firma eine Ölpest verursacht hat, Öl in seine Klimaanlage einfließen lassen, das dann sein Haus unbewohnbar macht – so wie den Lebensraum von Millionen Tieren im Meer. Jane (Brit Marling) soll als Undercoveragentin eines elitären Sicherheitsunternehmens die Gruppe infiltrieren, um zukünftige Aktionen gegen die Klienten zu verhindern. Unter den Decknamen Sarah gelingt es ihr schnell, das Vertrauen der kleinen Gruppe zu gewinnen und lernt die Mitglieder, vor allem die zornige Izzy (Ellen Page), den unter den Nebenwirkungen eines als sicher geltenden Medikaments leidenden Doc (Toby Kebbell) und den charismatischen Anführer Benji (Alexander Skarsgård), kennen und nach einiger Zeit auch schätzen. Sie beginnt, hin und hergerissen zu sein zwischen Loyalität ihrer resoluten Chefin (Patricia Clarkson) gegenüber und Verständnis für die Aktionen der Gruppe. Doch Unschuldslämmer gibt es auf beiden Seiten nicht…

Wie sehr The East auch in Zukunft Bestand haben wird, darüber lässt sich momentan noch keine Aussage treffen. Vieles, was Regisseur Zal Batmangliji und seine Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin Brit Marling (in beiden Funktionen auch für den faszinierenden Another Earth verantwortlich) auffahren, entspringt aktuellen Debatten. Zugutehalten muss man ihnen aber unbedingt, dass sie diese Dinge nicht ausstellen. So wird das sogenannte „Deep Web“, welches im Zuge der WikiLeaks-Affäre mehr in den Fokus des Öffentlichkeit gelangt ist, zwar erwähnt, nicht aber durch langwidrige Erklärungen ins Scheinwerferlicht gezerrt. The East ist ein Film am Puls der Zeit, nicht aber, um sich damit hip in der Gegenwart zu verordnen. Man kann ihm nur wünschen, dass er sich auch über die unmittelbare Welt seiner Entstehungszeit hinaus behaupten wird. Zumal die Fragen, die er diskutiert, recht zeitlos sind.

Es ist eine schwierige moralische Grauzone, die The East betritt. Einfache Antworten kann es hier nicht geben. Ist es gerechtfertigt, mit illegalen Mitteln große Verbrechen aufzudecken? Im Hinblick auf die aktuelle WikiLeaks-Debatte scheinen die meisten Menschen eher positiv gestimmt zu sein: Edward Snowdon hat richtig gehandelt, deckte er doch Ungeheuerlichkeiten auf, die sonst womöglich nie ans Licht der Öffentlichkeit gekommen wären. Doch wie verhält es sich, wenn man Mittel einsetzt, die Menschen aktiv schaden können? Ist es vertretbar, wenn Verantwortliche zum Bad in von ihren Firmen versuchtem Wasser gezwungen werden, was unabsehbare gesundheitliche Probleme bis hin zum Tod nach sich ziehen könnte? Oder wenn Pharmafirmen mit den Nebenwirkungen ihrer für das schnelle Geld hastig auf den Markt geworfenen Produkte konfrontiert werden? Batmangliji und Marling sind schlau genug, darauf keine abschließenden Antworten zu geben. So mag man Sarahs Chefin als Feindbild ausmachen, handelt sie doch genauso skrupellos wie die Konzerne, von denen sie engagiert wird, wenn es nicht um ihre Klienten geht. Doch auch die in ihrer Zusammensetzung zunächst durchaus sympathisch-verschroben gezeichnete Aktivistengruppe aus Cyber-Hippies und reichen Aussteigern schreckt nicht vor äußerst fragwürdigen Mitteln zurück, um ihre Ziele durchzusetzen. Die Konzerne nehmen den potentiellen Tod ihrer „Kunden“ in Kauf, The East den Tod derer, die so handeln. Wo bleibt da die Gerechtigkeit auch für jene, die unzweifelhaft Schuld auf sich geladen haben? Gibt sich eine Formation wie die titelgebende Gruppe nur demokratisch und ist es nicht? Am Ende bezeugt der Film unmissverständlich seine Sympathien für alle Whistelblower dieser Welt, deren Gewissen groß genug ist, um sich mit den Mächtigen anzulegen und womöglich Wege zu finden, die Gerechtigkeit herstellen, ohne auf terroristische Mittel zurückzugreifen.

The East ist spannend inszeniert und dank der prägnanten Brit Marling macht der Zuschauer ihren Entwicklungsprozess erfahrbar mit. Komplexer und viel mehr an den Hintergründen interessiert als der durchschnittliche Thriller ist dies eine der leisen Überraschungen des Kinojahres. The East stellt Fragen, verweigert sich einfachen Antworten und unterschätzt vor allem nicht sein Publikum. Dies ist intelligente, diskussionswürdige Unterhaltung.


http://filmblogosphaere.wordpress.com/

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