Donnerstag, 21. November 2013

Fuck for Forest (2012)




FUCK FOR FOREST
Polen/Deutschland 2012
Dt. Erstaufführung: 13.06.2013
Regie: Michal Marczak

Was soll man bei einem Titel wie Fuck for Forest noch groß erzählen? Ja, genau darum geht es: Ficken für den Regenwald. Der Film portraitiert die norwegisch-schwedische Aktivistengruppe mit dem sprechenden Titel, die auf ihrer Webseite pornographisches Material anbietet, um mit dem Erlös Wiederaufforstungsprojekte und andere Umweltaktionen zu unterstützen. Fast eine halbe Million Euro sind nach Aussage im Film damit bereits generiert worden. Die Aktivisten, deren Epizentrum Berlin ist, nachdem sie in Norwegen wegen Livesex auf Bühnen zu Geldstrafen verurteilt wurden, sprechen auch unbedarfte Passanten an und bitten sie um Mitarbeit, schließlich will die Sucht nach frischen Gesichtern bei den nach eigenen Angaben um die 1000 Mitgliedern der Seite befriedigt werden. Jeder Zehnte erklärt sich angeblich bereit dazu, sich für den guten Zweck zu entblößen oder gar Sex vor der Kamera zu haben. So weit, so kurios. Sex sells und warum diesem Umstand nicht mit einem ehrenvollen Ziel verknüpfen?

Die Ziele der Aktivisten entpuppen sich aber im Laufe des Films als naive Wunschträume, was nicht unerheblich mit der unorganisierten Art der Mitglieder und ihrem selbstverliebten Habitus zu tun hat. Tommy Hol Elligsen, Leona Johansson, Dany DeVero und die anderen FFF-Mitglieder sind eine schwer zu ertragende Mischung aus Neo-Hippie und Hipster, die sich laufend selbst konterkarieren. Da lehnt DeVero einmal synthetische Drogen ab, um sich dann ständig mit Hasch zu berauschen, da stößt der Freund einer gerade 18 Jahre alt gewordenen Aktivistin an seine Grenzen, als sie sich zum Geburtstag von ihren Gästen befingern lässt. Sympathisch werden die Mitglieder nie, zu sehr gefallen sie sich in ihren Rollen als einzig progressive Gesellschaftsmitglieder, die mit Traditionen brechen, hip, modern und bewusst sind. Jeder Student kennt solche Leute: vermeidlich politisch besonders Interessierte, die jeden von oben herab behandeln, der nicht wie sie seine Ziele verfolgt und für die pseudo-philosophische Diskurse zum guten Ton in vernebelter Atmosphäre gehören. Der Film identifiziert nur einen klaren Moment, einen Augenblick, in dem die Aktivisten unsanft auf den Boden der Tatsachen geholt werden: als sie einem indigenen Volk im Amazonas anbieten, 800 Hektar Land für 30.000 € zu kaufen, reagieren diese unwirsch und lehnen das Geld ab. Was hilft es, wenn die Menschen dort keine Perspektive haben? Mit Getöße bricht das Luftschloss der Gruppe zusammen und Regisseur Michal Marczak versäumt, die Auswirkungen zu zeigen. Texttafeln informieren kurz über die unterschiedlichen Wege, die die Mitglieder danach gingen und endet den Film dann mit einer Szene, in der DeVero palästinensischen Flüchtlingen vorschlägt, nackt zu demonstrieren. „Überall auf der Welt geschehen Katastrophen und du redest über das Nacktsein?“, fragt daraufhin einer der Anwesenden. Schöner kann man die Groteske, die Fuck for Forest und seine Mitglieder darstellen, nicht zusammenfassen.

Natürlich fühlten sich die Aktivisten im Nachhinein nicht gut von Marczak portraitiert und manchmal fühlt sich der Film schon etwas wie scripted reality an, so weltfremd verhalten sich die Protagonisten. Eine Liveshow vor einem Berliner Hipster-Publikum, das auf Plastikstühlen in einem Keller sitzt und die mit dem Verzehr eines Mix aus Sperma und Menstruationsblutes endet grenzt auch schon arg an eine besonders krude Selbstparodie. Es sei dahingestellt, wie groß der reine dokumentarische Anspruch war, gänzlich aus der Luft gegriffen scheint vieles nicht zu sein, beispielsweise die unsensible Nutzung eines Berliner Slut Walks zur Werbung für die Aktion. So verbringt man schlussendlich etwas unter 90 Minuten mit unsympathischen Menschen, die nie aus dem Rahmen der Gruppe heraustreten, nie als „wirkliche“ Personen erfahrbar werden. Stattdessen viele Wolkenkuckucksheime und ein Ausbleiben von Informationen genau an den Stellen, an denen sie so dringend benötigt gewesen wären. Und das Ganze auch noch in ästhetisch wenig ansprechenden Bilder festgehalten. Fuck for Forest handelt nicht nur von einem Kuriosum, es ist auch selbst eins: ein Dokumentarfilm, dessen Mehrwert sich durch das bloße Ausstellen von bizarren Personen und Situationen kaum einstellt. Die wenigen Momente, die als Aufhänger für eine tiefergehende Analyse prädestiniert gewesen wären, lässt Marczak ungenutzt verstreichen. So bleibt wenig, was eine Empfehlung rechtfertigen würde außer der Erkenntnis, dass man eine wahnwitzige Idee wie Sex für den Umweltschutz in fähigeren Händen wissen wollen möchte als in jenen von DeVero, Ellingsen und Co.


http://filmblogosphaere.wordpress.com/

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