Montag, 22. April 2013

17 Mädchen (2011)




17 MÄDCHEN
(17filles)
Frankreich 2011
Dt. Erstaufführung: 14.06.2012
Regie: Delphine Coulin & Muriel Coulin

17 Mädchen basiert auf einem „Schwangerschaftspakt“ an einer US-amerikanischen High School – eine Meldung für die Kategorie Buntes aus aller Welt, schnell gelesen und ebenso schnell vergessen. Das Regie-Duo Coulin ließ die Geschichte aber offensichtlich nicht so einfach los und mit ihrem Film, der die Geschichte nach Frankreich verlegt, versuchen sie, die Beweggründe für solch ein Verhalten zu dechiffrieren. Dies gelingt als Parabel, hinterlässt aber mit den Verweisen auf die Realität einen schalen Beigeschmack.

Lorient, eine triste Stadt in der Bretagne: Camille (Louise Grinberg) ist sechszehn Jahre alt und schwanger. Nach kurzer Überlegung entschließt sie sich dazu, das Kind zu behalten. Dies löst eine Kettenreaktion aus. Zunächst beschließen Camilles engere Freundinnen, ebenfalls schwanger zu werden, dann zieht die Idee immer weitere Kreise, bis schließlich siebzehn Schwangerschaften an der Schule zu verzeichnen sind. Die Mädchen schmieden Pläne von einer gesellschaftlichen Utopie, wollen die Kinder in einer Art Kommune aufziehen, errechnen anhand des Kindergeldsatzes ihre Chancen auf eine große, schöne Wohnung. Doch jugendlicher Idealismus wird irgendwann mit der Realität konfrontiert…

…aber das interessiert den Film nur peripher. 17 Mädchen ist eine unkonventionelle Coming-of-Age-Geschichte mit all den wichtigen Elementen. Die Kinder wollen nicht werden wie ihre Eltern und Erwachsene im Allgemeinen treten hauptsächlich als überforderte, am Leben verzweifelnde Figuren auf. Dies führt zu einigen humorvollen Glanzleistungen: Bei einem Dutzend Schwangerschaften ist die Schulleitung so alarmiert, dass pädagogisch vorgegangen wird – man zeigt ein Dokumentation über den Geburtsvorgang. Die „abschreckende“ Wirkung bleibt natürlich aus, das hilflose Tun der Erwachsenen im Kontrast zum Opportunismus der Mädchen ist ein gelungener, augenzwinkernder Gegensatz.

Es gibt viele Kontrastpaare in 17 Mädchen. Immer wiederkehrend ist nach einer leidenschaftlichen Diskussion zwischen den Freundinnen die Zukunft der Babys betreffend der Gegenschnitt zu einsam auf ihren Zimmern grübelnden Mädchen. Dass die Welt „dort draußen“ nicht so funktioniert, wie sie sich alle es erträumen, dämmert allen, allein aussprechen kann und will es niemand. Auch sorgen sich die angehenden Mütter natürlich um ihren Nachwuchs, verhalten sich aber andererseits meistens Teenager-üblich egoistisch und traktieren die ungeborenen Babys weiterhin mit Alkohol und Zigaretten. Genau an diesen Stellen beginnt der Film im Subtext ein unheilvolles Zweitleben, wenn die Schwangerschaft und die Verantwortung für ein neues Leben zum reinen Selbstzweck werden.

Auf oberflächliche Wertungen verzichten die Regisseurinnen Coulin zwar, vielmehr interessiert sie die Gruppendynamik und das sich-unbesiegbar-fühlen des Lebensabschnitts Jugend, aber wenn am Ende gefühlte fünfzehn Minuten an Extra-Footage fehlen, der Film einfach endet und plakativ etwas wie „Girl-Power“ beschwört, dann ist das im Hinblick auf die (reelle) Zukunft der Babys und ihrer Mütter doch etwas kurz gegriffen. Als Parabel auf eine Gesellschaft, in der junge Frauen nur durch eine Schwangerschaft der Tristesse des Alltags entgehen und gegen die Welt der Erwachsenen aufbegehren können, funktioniert 17 Mädchen, die Mischung aus Drama und leiser Komödie ist wirkungsvoll und die schauspielerischen Leistungen sind durchweg glaubhaft. Problematisch wird es dadurch, dass der Film das teilweise katastrophale Verhalten der Mädchen zeigt, es aber ihm letztlich keine Konsequenzen folgen lässt: wie gesagt, der Film hört einfach auf. Man erfährt, dass die Kinder geboren werden, dass Utopien zerplatzen, aber all dies im Schnelldurchlauf. Die finale Aussage „Niemand kann ein 17-jähriges Mädchen aufhalten, dass träumt“ kann zwar auch bitter-süß gelesen werden, aber gerade an dieser entscheidenden Stelle macht es sich der ansonsten empfehlenswerte Film zu leicht. Teenagerschwangerschaften sind nicht das leichteste aller Themen und sie rein als teenage empowerment zu begreifen hinterlässt ein fades Gefühl.


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